Gilgit, 28.8.2011
Seit 2 Tagen bin ich nun wieder alleine! 5 Wochen lang war ich nun mit meinen bereits Hitze- und Stauberprobten Freunden zusammen, und gemeinsam haben wir viele Abenteuer bestanden. Das letzte gemeinsame Abenteuer war die Fahrt mit meinem guten Gani zum Busbahnhof in Gilgit. Ursprünglich wollten Susanne, Bert, Gerhard und Ralph ja mit dem Flieger nach Islamabad, aber wegen des schlechten Wetters wurde der Flug (wieder einmal!) storniert. Blieb also nur mehr die Alternative mit Bus oder Taxi! Und dann erfuhren wir am Abend vor der Abfahrt zu unserer großen Bestürzung, dass ein Hangrutsch den Karakorum Highway unpassierbar gemacht hat! Dank einer nächtlichen Sonderschicht der pakistanischen Armee war der KKH morgens wieder passierbar und ich hoffe, dass meine Freunde die 20-stündige Reise gut hinter sich gebracht haben!
Am 18. Juli hatte ich meine 5 Begleiter vom Flughafen in Islamabad abgeholt und einen Tag später ging´s nach einer kurzen Stadtbesichtigung Richtung Norden. Unser 1. Abenteuer war ein abgebrochener Ganghebel. Kurz vor Taxila (der ehemaligen Hauptstadt des Gandhara Reiches) wollte ich einen Gang einlegen und hielt zu meiner Verblüffung einen Teil des Ganghebels in meiner Hand! Unser Glück war, dass wir Gani nur 50 Meter bis in die nächste Werkstatt schieben musste. Die Freude über die gelungene spätabendliche Reparatur (10 Euro Reparaturkosten und einige Fotos aus meinem Fotodrucker) war groß und in einem neueröffneten Luxushotel haben wir eine wunderbare Nacht verbracht.
Nach der Besichtigung des interessanten Museums machten wir tags darauf unsere ersten Kilometer auf dem legendären Karakorum Highway, der 1978 von den Chinesen fertig gestellt worden ist. Zuhause hatte ich mir vorgenommen, in Abbattobad, das ja am Anfang des KKH liegt, nach dem Haus von Osama bin Laden zu fragen, der ja einige Monate zuvor dort (so die offizielle Version) getötet worden war. Susanne bekam Angst bei diesem Gedanken und einige der Männer hatten auch ein ungutes Gefühl. Ich fragte dann einen jungen Mann nach dem Weg, der uns lächelnd den Weg dort hin erklärte. Wir sind dann doch nicht hingefahren, da das Haus zu abgelegen und die Angst von Susanne zu groß war!
Kurz nach Abbattobad verließen wir den KKH und nahmen eine Abkürzung durch das schöne Kaghan Tal. Und urplötzlich hielt ich wieder den Schalthebel in der Hand! Die Jungs in Taxila hatten einen ganz billigen Metallbolzen verwendet, der den vielen Schaltvorgängen auf den teilweise sehr schlechten Strassen nicht gewachsen war. Danach ging es mehrere Tage im 1. Gang durch die Berge Pakistans, da wir weit und breit keine Bohrmaschine auftreiben konnten, mit der wir den abgebrochenen Bolzen rausbohren konnten, den die Jungs in der Werkstatt voller Freude und mit wuchtigen Schlägen in den Schalthebel geklopft haben.
Unsere Fahrt führte uns dann im 1. Gang auf den Babusar Pass (4173m), den ich 4 Jahre zuvor mit meinen beiden deutschen Freunden Joachim und Theo nicht hatte befahren können, da die Strecke total schlammig war. Vom kühlen Pass ging´s runter ins heiße Chilas und dann weiter bis zur Raikot Bridge, wo wir uns 2 Jeeps genommen haben, um mit ihnen eine atemberaubende Bergstraße hochzufahren. Danach ging´s zu Fuß weiter nach Fairy Meadows, wo wir abends und morgens wunderschöne Ausblicke auf den Nanga Parbat (8126m) hatten.
Kurz vor Gilgit fanden wir endlich eine Werkstatt mit Bohrmaschine! Bert hat als unser „Cheftechniker“ gute Vorarbeit geleistet, sodass wir gemeinsam mit dem Chef der Werkstatt Gani wieder mit einer funktionierenden Schaltung ausstatten konnten. Viel schneller waren wir dadurch allerdings auch, da fast der gesamte Karakorum Highway derzeit ein staubige Rumpelpiste ist. Die chinesischen Baufirmen haben auf ca. 200 Kilometer vor und nach Gilgit den gesamten Asphalt abgetragen. In 2-3 Jahren soll der KKH dann in neuem Glanz erstrahlen – inshallah (so Gott will)!
Wir haben uns dann bei drückender Hitze bis nach Gilgit durchgekämpft, der Hauptstadt der Region Baltistan. Die hintere Schiebetür war wegen der Hitze offen und jedes Mal, wenn ein schnelleres Fahrzeug vorbeidonnerte, musste Ralph die Schiebetür zumachen. Insgesamt haben wir auf dem KKH alle miteinander sehr viel Staub geschluckt!
Den haben wir dann allerdings bei unseren Gastgebern in Hundur im Yasin Valley, das 140 nordwestlich von Gilgit liegt, ordentlich runtergespült – allerdings nicht mit Alkohol sondern hauptsächlich mit grünem und schwarzen Tee! Am Dienstag, den 26. Juli sind wir in dem wunderschönen Hochtal (ca. 2500 Meter Seehöhe) angekommen und waren als Ehrengäste im Haus des Cousins meines Freundes Muhammad Karim untergebracht. Gulsambar Khan ist der Bruder von Lalik Jan Shaheed, der durch seinen heldenhaften Tod gegen die indische Armee posthum den höchsten Orden Pakistans – den Nishan-e-Haider Award – bekommen hat. Das Märtyrergrab steht direkt neben dem Haus von Gulsambar, der vor einigen Jahren übrigens in Bosnien im Einsatz war und nach 20 Dienstjahren nun seine wohlverdiente Pension genießt!
Mittwochs besuchten wir dann alle den wunderbar gelegenen Platz, wo die neue Schule entsteht. Ich hatte die Ehre in Anwesenheit örtlicher und regionaler Prominenz ein Band zu den in Entstehung begriffenen Klassenzimmern zu durchschneiden. Wir waren beeindruckt, wie Muhammad Karim, der ehemalige Schuldirektor, mit den Spendengeldern aus Österreich (bis jetzt sind über 11.000 Euro an Spenden zusammengekommen) so ein wunderbares Gebäude zustande gebracht hat. Die Fundamente sind aus Stein und die Wände der Klassenzimmer aus Betonziegeln. Bei 4 Klassenzimmern sind bereits die Fenster- und Türstöcke vorhanden. Wenn noch etwas Geld zusammenkommt, werden die 4 Klassenzimmer noch heuer von den Schülerinnen genützt werden können! – Muhammad ist seit kurzem übrigens nicht mehr Schuldirektor sondern „Managing Director“, da er aufgrund seiner zahlreichen Aktivitäten rund um den Schulbau kaum mehr Zeit zum Unterrichten hatte.
Nach dem Schulbesuch wurde uns Obst gereicht und es ging weiter zum sogenannten „Parents Day“. Im bis zum letzten Platz gefüllten großen Saal einer öffentlichen Schule hatte Muhammad mit den Schülerinnen und Schülern seiner Schule ein tolles Programm für uns vorbereitet, das auch bei deren Eltern große Begeisterung hervorrief. Ich übergab dann die Grußbotschaften der Kinder der Volksschule Schenkenfelden an die Schülerinnen der World Roof Public School, die begeistert aufgenommen wurden. Wir wurden dann noch als große Spender und Sponsoren geehrt, und ich bekam als ganz spezielles Gastgeschenk einen über 100 Jahre alten Vorderlader geschenkt. Schaut echt super aus, nur wie ich denn über die Grenze bringen soll, ohne dass ich als vermeintlicher Waffenschmuggler an irgendeiner Grenze verhaftet werde, weiß ich noch nicht.
Am nächsten Tag wurde es dann ernst für den 26-jährigen Muhammad und seine 23-jährige Fatima. Die Anspannung war ihnen ins Gesicht geschrieben (nun weiß ich wieder mal, warum ich bis jetzt nicht geheiratet habe …). Wir als Ehrengäste, die wie Einheimische eingekleidet worden waren, genossen die festliche Atmosphäre und wurden wie Familienmitglieder rasch in die große Gemeinschaft aufgenommen. Ich hatte eine ganz spezielle Funktion inne: Ich stand – und stehe immer noch – als usham-tati Muhammad und Fatima sehr nahe. Ich bin so was wie ihr Brautvater. Vom Alter her hat es sowieso gepasst, denn ich bin um 25 Jahre älter als Muhammad und könnte damit locker sein Vater sein. Er hat wie ich seinen Vater viel zu früh verloren, und seine Mutter bekommt derzeit 1000 Rupees (ca. 10 Euro) Pension, da ihr Mann seinerzeit Soldat war und in den Bergen durch einen Steinschlag umgekommen ist.
Morgens fuhren wir in einer langen Kolonne von Muhammads Haus los. Muhammad saß in meinem festlich geschmückten Gani und war ziemlich nervös. Zum Haus der Eltern ging es dann nur noch zu Fuß weiter und dort fanden auch die großen Zeremonien und Feierlichkeiten statt. Ich hatte viel Freude beim Fotografieren und viele wunderbare Gelegenheiten und Motive, da ich endlich auch wieder mal Frauen fotografieren durfte. Gegen Ende der Feierlichkeiten wirkte das Hochzeitspaar schon wesentlich entspannter. Wie sie die Hochzeitnacht verbracht haben, weiß ich leider nicht …
Am nächsten Tag gab es dann noch einige kleine Feierlichkeiten, bei denen ich als usham-tati natürlich auch dabei sein durfte. Die Hochzeit war für uns alle ein sehr schönes und berührendes Erlebnis. Vor allem die unglaubliche Gastfreundschaft und Freundlichkeit unserer pakistanischen Gastgeber war für uns sehr beeindruckend. Das alles hat das Bild meiner Freunde über Pakistan, das man sich im Westen so über Pakistan macht, ganz gewaltig verändert!
Apropos Bilder: Hier gibt es einige Bilder von der Hochzeit zu sehen, bei der wir uns unglaublich wohl gefühlt haben:
https://c.web.de/@357517259410774306/XKqRHd6RR6WKeEcODt394A
Wir haben dann tags darauf einen gemeinsamen Trek zu einem Gletscher gemacht und haben danach schweren Herzens Abschied von unseren Freunden genommen. Wie es danach weitergegangen ist, und ob wir unsere überschüssigen Hochzeitskilos wieder losgeworden sind, erfahrt ihr im nächsten Newsletter, der demnächst erscheinen wird.
Herzliche Grüße aus dem Madina Guesthouse in Gilgit, das wahrscheinlich bald zusperren wird, da es in Pakistan leider immer weniger Backpackers gibt!
Mukti und Gani
PS: An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei allen Spenderinnen und Spendern bedanken, durch deren Spenden der Bau der Schule ermöglicht wird – vielen Dank nochmals!
Und wer Interesse an einer Mitgliedschaft im Verein „Bildung für Pakistan“ hat, möge sich bitte bei mir melden. Der jährliche Mitgliedsbeitrag beträgt 50 Euro und wird zur Gänze zum Neubau der Schule und zur Finanzierung des Schulgeldes (2-3 Euro pro Monat) bedürftiger Schülerinnen verwendet.
Weitere Infos über die Schule finden sich auf folgender Homepage: