Gilgit, 29.8.2011
Vor 3 Tagen haben wir ganz ungeplant viele unserer Freunde aus dem Yasin Tal hier in Gilgit wieder getroffen und haben gemeinsam den Abschied meiner österreichischen Freunde gefeiert. Seit unserem gemeinsamen Trekkingtag hatten wir uns ja 3 Wochen lang nicht mehr gesehen. Wir hatten einander viel zu erzählen – vor allem von unserer 16-tägigen Trekkingtour im Karakorum und unserem Ausflug ins Land der Hunzas.
Von Yasin aus waren wir bei herrlichem Wetter über den staubigen Karakorum Highway ins Hunzatal gefahren. Vor 4 Jahren bin ich bis chinesischen Grenze am 4730 Meter hoch gelegenen Khunjerab Pass hochgefahren. Seit letztem Jahr blockiert allerdings ein 25 Kilometer langer See, der durch einen gewaltigen Erdrutsch entstanden ist, den KKH. Mit Gani haben wir uns die 150 Höhenmeter Staub und Geröll hinaufgekämpft, um den künstlichen See zu sehen. Gani hat echt sein Bestes gegeben und gezeigt, was er drauf und drin hat – nämlich beste Allradtechnik aus Österreich! Dann ging unser wilder Ritt die Geröllhalde wieder hinunter und zurück nach Karimabad, der Hauptstadt der Hunzas. Dort genossen wir die wunderbar entspannte Atmosphäre in dieser fantastischen Gebirgsregion einige Tage lang und fuhren wieder an unserem Lieblingsberg, den 7788 Meter hohen Rakaposhi vorbei, dessen Basislager wir einige Tage vorher besucht hatten.
Um zum Ausgangspunkt unseres Treks zu kommen, mussten wir von Gilgit nach Skardu fahren. Diese 200 Kilometer sind ziemlich abenteuerlich und die schmale Strasse führt durchs wilde und enge Industal. Die Strecke ist allerdings harmlos gegen die Strecke von Skardu nach Askole, dem Ausgangspunkt unseres Karakorum Treks. Am 6. August fuhren wir mit dem Jeep in Skardu los und mussten kurz vor Askole einen Kilometer zu Fuß gehen, da ein Landslide (Erdrutsch) die Strecke wieder mal blockiert hat. Auf der anderen Seite erwartete uns ein einziger Jeep, auf dessen kleiner Ladefläche wir 25 Leute und unser Gepäck verstauen mussten! Gott sei Dank ist Susanne mit dem anderen Jeep zurückgefahren, denn der nun folgende Wegabschnitt war der geilste Ritt, den ich je erlebt hatte! Zentimeterweise an den Felsenwänden und am Flussufer entlang: der Fahrer war verdammt gut drauf – gratuliere!
Im 3000 Meter hoch gelegenen Askole übernachteten wir das 1. Mal in unseren von der Agentur bereitgestellten Zelten und lernten dann unser Team kennen. Tags darauf brachen wir bei schönem Wetter mit mehr als 30 Trägern und dem 5-köpfigen Betreuerteam zu unserem 16-tägigen Trek zum K2 Basislager auf. Unser Koch Ali zauberte wunderbares Essen hervor, unser Gepäck wurde transportiert und unsere Zelte aufgestellt. Also alles bestens! Im 2. Lager in Paju legten wir einen Ruhetag ein und durfte in unserem Messezelt einen ganz besonderen Gast begrüßen: nämlich den Skyrunner Christian Stangl aus OÖ! Der hatte zum 4. Mal kein Glück bei der Besteigung des K2! Und er hatte noch dazu Pech, da das Pferd, das sein Gepäck ins Lager bringen sollte, auf dem schwierigen und steinigen Weg über den Gletscher verunglückt war und sein Gepäck erst einige Tage später angekommen ist!
Der 3. Tag war lang und hart. 9 Stunden Fußmarsch über Stein und Geröll auf dem Baltoro Gletscher waren für alle eine ziemliche Herausforderung! Die nächsten 2 Tage waren leichter und kürzer. Als wir das Concordia Camp erreichten, fing es heftig zu schneien an. Dieses Mal halfen wir unseren Trägern beim Herbeischaffen der Steine für ihre primitiven Unterkünfte, mit denen sie sich vor Schnee und Kälte schützen. Die Träger errichten aus Steinen eine ca. halben Meter hohe Schutzmauer, über die sie eine Plastikplane spannen. Darunter kochen sie ihren Tee, machen ihre Chapatis (Fladenbrote) und verheizen mit ihren Öfen jede Menge Kerosin, damit sie es schön warm haben unter ihrer Plane.
Träger zu sein ist ein harter Job, der zwar für pakistanische Verhältnisse mit ca. 500 bis 700 Rupees pro Tag (ca. 4-6 Euro) gut bezahlt ist, aber auch ziemlich gefährlich ist. Immer wieder kommt es vor, dass Träger bei Flussdurchquerungen und durch Felsstürze und Vermurungen ums Leben kommen. Dafür bekommen ihre Verwandten von der Versicherung 50.000 Rupees bezahlt (nur knapp mehr als 400 Euro!). Bei den Trägern galten wir nun dank unserer Mithilfe als „good members“ und konnten danach immer voll und ganz auf ihre Hilfe zählen.
Auf dem Concordia Platz treffen insgesamt 14 Gletscher aufeinander und bei schönem Wetter hat man einen herrlichen Rundblick auf die beeindruckenden Bergriesen ringsum. Der Campground war an diesem Tag ziemlich voll mit einer Vielzahl bunter Zelte. Dazwischen streiften die meist dick vermummten Zeltbewohner umher, um sich bei Temperaturen um den Nullpunkt warm zu halten. Alle warteten auf besseres Wetter und auf das erhoffte Erscheinen des Platzherrn, des K2 – auch Chogori genannt. Und wieder Erwarten zeigte er sich für kurze Zeit: ein majestätischer Anblick und der Abend war gerettet!
Nach dem köstlichen Abendessen haben wir uns bereits kurz nach 20:00 in unsere dicken Schlafsäcke eingerollt und haben noch mit halbem Ohr dem Singen und Tanzen unserer Träger und unseres Küchenteams zugehört. Das war so ziemlich ihre einzige Form der Unterhaltung während des Treks. Nachts hat es wieder geschneit, und es ist schon ein ganz besonderes Erlebnis, wenn man morgens wach wird, die Zeltplane zurückschlägt und einem der Schnee ins Gesicht fällt. Dieser Vorgang hat sich dann immerhin eine Woche lang in ähnlicher Form wiederholt! Für „Warmduscher“ ist dieser harte Trek sicher nicht geeignet!
Von Concordia sind wir bis zum 1. Broad Peak Basecamp gegangen. Tags darauf haben wir mit unserem Guide Abdul und 3 Hochträgern das Hochlager für die Besteigung des 6200 m hohen Pastori Peaks gesucht. Das Blöde an dieser Geschichte war nur, dass Abdul keine Ahnung hatte, wo genau der Pastori und das Highcamp zu finden seien, da er noch nie in dieser Gegend gewesen war! Wir haben dann gemeinsam einen brauchbaren Platz gefunden und bei Schneefall unsere Zelte aufgestellt. Um 2:00 wollten wir eigentlich losgehen, aber Abdul stellte sich während des heftigen Schneefalls schlafend. Nachdem wir Abdul als Führer nicht vertrauen konnten und das Wetter seit einigen Tagen sehr unbeständig war, haben wir unsere Bergtour aus Sicherheitsgründen abgebrochen und sind wieder in unser Basislager zurück. Mit Bert bin ich dann zwischen den riesigen Eisblöcken rumgelaufen, um abends gut schlafen zu können.
Am nächsten Tag sind wir 2,5 Stunden zum Basislager des K2 gewandert und haben an einer Gedenkstätte, dem K2 Memorial, den mehr als 100 Toten gedacht, die an diesem äußerst schwierig zu besteigenden Berg verunglückt sind. Das Basecamp war ganz leer, da alle Teams wegen des schlechten Wetters bereits aufgegeben hatten. Auf dem Rückweg besuchten wir ein iranisches Team, das bereits seit 6 Wochen den Broad Peak bezwingen wollte – ebenfalls erfolglos! Grund zum Lachen gab´s dann aber trotzdem: Beim Anziehen meiner Bergschuhe glaubte ein Iraner, dass ich seine Schuhe anziehen würde! Beim genauen Betrachten der Schuhe stellte sich dann schließlich heraus, dass er genau das gleiche Modell in gleicher Farbe und Größe hat wie ich.
Vom iranischen Lager waren es noch ca. 4 Stunden Fußmarsch zum Concordia. Der Weg über die Gletscher ist im Allgemeinen meist einfach zu finden. Steinpyramiden markieren den Weg, den schon viele Expeditionen mit berühmten Bergsteigern vor uns begangen haben. An diesem Nachmittag fing es allerdings zu schneien an und wir waren froh, dass uns unsere Führer den verschlungenen Weg durch die Eisberge vorm Concordia gezeigt haben. Gerhard war nach dem 9-stündigem Marsch ziemlich fertig und bezeichnete unsere Tagesetappe als „Asshole-Trail“. Bert und mir hingegen gefiel diese mystische Wanderung durch die verschneite Eislandschaft äußerst gut! – Ralph war an diesem Tag nicht dabei, da er seinen Durchfall auskurieren musste. Ganz zu Beginn war er immer der Erste gewesen und schon vor den Trägern am Ziel. Wir haben ihn gewarnt, er wollte es aber nicht glauben, dass er bald einen Einbruch haben werde!
Am nächsten Morgen hatten wir zu unserer großen Freude strahlend schönes Wetter, und ich bin vor lauter Fotografieren fast nicht zum Frühstücken gekommen. Das Wetter hätte schöner nicht sein können: Genau vor uns der K2 (8611m), rechts davon der Broad Peak (8025m), daneben die Gasherbrums und im Süden der oder die faszinierende Choga Lisa. Die Masherbrum Wall war auch klar zu sehen und links vom K2 beeindruckte uns der Marble Peak. Voller Freude und Enthusiasmus brachen wir auf und wanderten inmitten dieser beeindruckenden Bergwelt über einen Gletscher zum Ali Camp. Von dort brachen wir bereits um 1:00 morgens bei Schneefall zum legendären Gondogoro La Pass auf. Im Licht der Stirnlampen suchten wir uns unseren Weg über verschneite Steine und Gletscherspalten zur Passhöhe. Fixseile gaben vor allem den Trägern in ihren zumeist billigen Plastikschuhen ein wenig Sicherheit. Um 4:30 ereichte unsere nächtliche Karawane den 5614 Meter hohen Pass. Es wurde schon langsam hell, als sich die Träger an den gefährlichen Abstieg machten, der ebenfalls mit Fixseilen gesichert war. Gott bzw. Allah sei Dank ist alles gut gegangen und wir konnten uns dann um 9:00 morgens nach einem ausgiebigen Essen an einem schönen Platz schlafen legen.
Die gefürchtete Überquerung war also geschafft! Jetzt trennten uns nur mehr 2 Tagesmärsche von Hushey, dem Tor zur Zivilisation. Von Hushey fuhren wir dann per Jeep durch ein wunderschönes Tal, das ich bereits 2007 kennengelernt hatte. Den Shyok Fluss folgend erreichten wir Kaphlu und von dort ging es den Indus entlang zurück nach Skardu, wo uns bereits die Susanne erwartete. Wir blieben einige Tage zum Ausspannen im Hotel und genossen die angenehme Wärme und das Zusammensein mit anderen Bergsteigern. Die überschüssigen Kilos waren auch weg, sodass wir ganz entspannt und gelassen nach Gilgit zurückfahren konnten.
So, ich hoffe, dass ich euch mit meiner diesmal etwas lang geratenen Geschichte nicht gelangweilt habe und wünsche euch ähnlich intensive Erlebnisse und Eindrücke, wie wir sie während des Treks gehabt haben sowie viel Freude beim Anschauen der Bilder von diesem großartigen Trek:
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Herzliche Grüße aus dem fernen Baltistan!
Mukti und Gani