Quetta, 17.11.2011
Eigentlich wollte ich zu diesem Zeitpunkt nicht in Pakistan sondern schon im schönen und sicheren Österreich sein! Und wahrscheinlich dauert es noch einige Zeit, bis ich wieder zuhause bin, denn am Dienstag ist meine Kupplung kaputt gegangen. Als ich bei einer Mautstelle stehen geblieben bin, hat es plötzlich einen lauten Schnalzer gemacht und der Motor ist abgestorben! Das Kupplungspedal ließ sich nicht mehr betätigen, sodass ich den 1. Gang reingedrückt habe und damit 5 Kilometer bis zu einer Werkstatt getuckert bin. Dort hat dann ein trotteliger Mechaniker das Pedal mit Gewalt durchgetreten, sodass Flüssigkeit ausgeronnen ist, weil eine Leitung geplatzt ist. Ich war stinksauer auf den Typen und habe dann mit etwas Glück den 2. Gang reingekriegt und bin dann ohne Stopp 120 Kilometer weit gefahren. Mit einer Geschwindigkeit von ca. 35 km/h hat man jede Menge Zeit sich die Gegend anzuschauen, nur kommt man halt sehr langsam weiter. Nach 120 Kilometer musste ich den Motor abwürgen, weil mich ein langsamer Lkw behindert hat. 30 Kilometer vor Quetta bekam ich wieder Polizeibegleitung. Die letzten 5-6 Kilometer bis ins Hotel fuhr ich dann im 1. Gang, da das Wegfahren mit der Zweiten sehr problematisch ist.
Die Sicherheitslage ist in Pakistan derzeit recht angespannt, sodass ich mehrere Male Polizeibegleitung hatte. Am Samstag, den 12. 11. bin ich von Islamabad aufgebrochen und habe einen Freund in Khewra besucht, wo ich mir die zweitgrößte Salzmine der Erde angeschaut habe. Von dort kommen die vielen Salzlampen und auch das „Himalaya Kristallsalz“ her. Von dort bin ich abseits der großen Straßen Richtung Süden gefahren. Es gab viel zu sehen – aber auch viele schlechte Straßen zu befahren. In der Nähe von Multan bin ich über den Indus und habe ab dort für ca. 500 Kilometer Polizeibegleitung bekommen, da die Gegend um D.G. Khan als sehr fundamentalistisch gilt. Fotografieren ist dort problematisch und nicht ratsam. So gesehen war ich froh über meine Begleiter, die mir in ihrem Streifenwagen vorausgefahren sind, sodass ich nie nach dem Weg fragen musste. Die Begleitung ist kostenlos, und die Polizisten wechseln sich an den Reviergrenzen ab. Die Fahrtgeschwindigkeit ist recht unterschiedlich: je nach Alter und Temperament des Fahrers – und Zustand des Autos! Mit einem Hunderter durch die Gegend zu gasen und auf Teufel komm raus zu überholen, macht Spaß … Beim Autofahren in Pakistan gibt es kaum Regeln und somit wesentlich mehr Freiheiten als bei uns zuhause!
Im Norden hatte ich auch mehrere Tage Polizeibegleitung, da einige Wochen zuvor Kämpfer der Taliban über die afghanische Grenze gekommen waren und Soldaten und Polizisten getötet haben. In Chitral hat man mir 2 junge Polizisten zugeteilt, mit denen ich in die Täler der Kalasha gefahren bin, einer hellhäutigen Minderheit mit eigener Religion und Kultur. Letztes Jahr ist in einem von den 3 von den Kalasha bewohnten Tälern ein Ausländer entführt worden, sodass Touristen dort nicht mehr übernachten dürfen. Ich habe im Birir Valley zu meiner großen Freude meine 3 einheimischen Freunde wieder getroffen, mit denen ich 2007 zusammen war. Safaraz ist inzwischen schon verheiratet, Haroon steht kurz davor und Islamuddin handelt immer noch mit Haschisch, um seine 5-köpfige Familie durchzubringen. Die Polizei hat uns dann bis zum Malakand Pass kurz vor Peshawar eskortiert. Ins Swat Valley durfte ich leider nicht rein, da es dort letztes Jahr heftige Kämpfe zwischen Armee und Taliban gegeben hat.
Aber Gott sei Dank hat es auch eine entspannte Zeit in den Bergen ohne Polizeibegleitung gegeben. Einige regnerische Tage in Gilgit habe ich zum Schreiben meiner Newsletter und dem Versenden von Fotos genützt. Danach bin ich mit einem deutschen Journalisten, der bereits vor 35 Jahren das erste Mal in Pakistan war, für einige Tage ins Hunzatal gefahren – dieses Mal wegen des schlechten Straßenzustandes ohne Gani. Das war gut so, denn wegen einer Mure mussten wir unseren Kleinbus verlassen, über das Geröll drübergehen und auf der anderen Seite in einen bereits dort wartenden Toyota Hiace einsteigen. Danach stiegen wir in einen Jeep, der uns in einer atemberaubenden Fahrt über die 150 Meter hohe Geröllhalde zum Attabad Lake brachte. Der ist durch einen gewaltigen Bergrutsch entstanden und blockiert den Karakorum Highway. Mit einem Boot fuhren wir den 25 km langen Stausee entlang. Da das Wetter sich wieder verschlechterte, kehrten wir nach einigen Tagen Aufenthalt in Gulmit und Passu wieder nach Gilgit zurück. Mit einem einheimischen Freund fuhren wir ins Ishkoman Valley und verbrachten dort einige angenehme Tage im Kreise seiner Familie. Abends gab es uns zu Ehren eine spontane Tanzveranstaltung in seinem aus Lehm und Holz gebauten Haus. Zu unserer großen Überraschung tanzte auch die Mutter unseres Freundes Dildar bei seinem wilden Tanz mit! Bei meinem Tanz tanzte seine Schwester mit! Dass Männer und Frauen gemeinsam tanzen, habe ich nur im oberen Teil des Ishkoman Valleys erlebt, wo die Menschen eine ganz eigene Kultur und Sprache haben (Wakhi). Im Nachbardorf von Borth hatte ich dann ein ganz spezielles Erlebnis: Ich habe einem Mann eine Brille geschenkt, der (angeblich) 105 Jahre alt ist!
Von Ishkoman ging es weiter ins nahe Yasin Valley, wo wir bei Muhammeds Familie übernachteten und die neue Schule besichtigten. Beim Abschied von meinen Freunden in Hundur hatte ich feuchte Augen, da sie mir sehr ans Herzen gewachsen sind und mir dieses schöne Tal mehr oder weniger zur zweiten Heimat geworden ist. Die entspannte Fahrt bei herrlichem Wetter durch das wunderschöne Ghizer Valley ließ mich den Abschiedsschmerz bald wieder vergessen. Übernachtet haben wir bei einer Familie, bei der ich schon 2007 übernachtet habe. Die meisten Menschen in diesem Tal gehören der sehr toleranten Glaubensgemeinschaft der Ismaelis an. Ihr spiritueller Führer ist der reiche Aga Kahn. Seine Hilfsorganisation hat im Norden Pakistans viele Schulen gebaut und zahlreiche Projekte wie den Bau von Wasserleitungen und Brücken ins Leben gerufen. Die Menschen im Yasin und Ishkoman Valley sowie die Hunzas sind zum Großteil Ismaelis, sodass man sich hier als Reisender sehr sicher und willkommen fühlt.
Nach der Überquerung des 3500 Meter hohen Shandur Passes, wo jedes Jahr im Juli das höchstgelegene Pferdepolo-Festival stattfindet, ging es durch ein ebenfalls sehr schönes Tal mit schneebedeckten Gipfeln weiter nach Chitral, das hauptsächlich von Sunniten bewohnt wird. Die Menschen in dieser abgelegenen Region, die im Winter oft vom restlichen Pakistan abgeschnitten ist, da es nur 2 Straßenverbindungen gibt, sind ebenfalls sehr gastfreundlich. Nur sieht man hier kaum Frauen auf den Straßen. Deshalb ist für jeden Reisenden der Besuch bei den unverschleierten Kalasha eine wahre Freude.
Nach unserer Zeit mit ständiger Polizeibegleitung verbrachten wir einige Tage im nur 40 Kilometer von der afghanischen Grenze entfernten Peshawar. Peshawar ist eine Stadt mit einem ganz speziellen Flair, mit buntbemalten Bussen und vielen freundlichen Menschen. Allerdings gibt es auch einige misstrauische darunter, die mich gefragt haben: „Why are you taking photos?“ Aufgrund von Spionagetätigkeiten und Bombenanschlägen keine ganz unberechtigte Frage aus Sicht der Pakistanis.
Ich bin dann alleine weiter nach Islamabad gefahren, wo ich den von mir so geschätzten Campingplatz Rose Garden fast ganz leer vorgefunden habe! Derzeit ist Pakistan bei Reisenden ziemlich „out“, denn in den nächsten Wochen sind kaum Traveller hier angekommen. Ich habe durch meinen Freund Moqeem, der mit VW Teilen handelt, eine gute Werkstätte (MS Motors) gefunden, die meinen Gani wieder auf Vordermann gebracht hat, ihn von seinen Roststellen befreit und ihn teilweise neu lackiert haben. Nach den 10 Tagen in dieser Werkstatt ging es gleich weiter zum nächsten Workshop bei Al Habib, der meinen Gani kunstvoll bemalt hat. Das Design dafür habe ich gemeinsam mit einem Grafiker entworfen, der auch meine neue Website gemacht hat.
Wie bereits erwähnt, sind die ersten 4 Klassenzimmer in der neuen Schule bereits bezogen worden. Mit den letzten 1500 Euro an Spendengeldern konnte Muhammed Karim den Großteil der Rechnungen für das Dach und den Innenausbau bezahlen. Allerdings sind noch Arbeitsleistungen und Materialien im Wert von ca. 300 Euro offen. Ich bedanke mich im Voraus bei allen von euch, die durch ihre Spende die Rechnungen begleichen helfen und damit Zukunft schenken. Damit ihr wisst, wofür ihr spendet, ist hier ein Teil der 4 neuen Klassenzimmer zu sehen.
Zum Schluss noch ein kurzer Lagebericht: Gestern haben wir den vorderen Kupplungszylinder repariert, den ja ein gefühlloser Mechaniker buchstäblich „zertreten“ hat. Morgen müssen wir dann das Getriebe abnehmen, da ein Teil der Kupplung defekt ist. Das dauert dann sicher noch ein paar Tage, bis alles repariert ist, falls wir die passenden Teile auftreiben können. Geduld ist also angesagt. – Kaum zu glauben, aber gestern habe ich endlich den Code für mein iranisches Visum bekommen, nachdem so ziemlich alles schief gegangen ist mit dieser iranischen Visa Agentur. Da die Bezahlung mit Western Union nicht geklappt hat, sollte ich gestern das Geld auf eine Bank nach Thailand überweisen. Für einen Ausländer eine mühsame und unmögliche Sache, wie sich später herausstellte. Den Betrag überweist jetzt ein iranischer Freund auf das Konto der Agentur im Iran. Die Freude über den „Confirmation Code“ währte allerdings nicht lange, denn da stand geschrieben, dass ich mir das Visum in KUWAIT abholen kann. Also auf von QUETTA nach KUWAIT!
Mit einem müden Lächeln angesichts der bevorstehenden Strecke
Mukti & Gani