Schenkenfelden, 22.10.2014
Seit genau einer Woche bin ich nun wieder back in „good old Austria“ und denke angesichts des nasskalten Wetters etwas wehmütig an die vielen sonnigen und warmen Tage in Zentralasien. In Peking hatten wir die letzten beiden Tage erstaunlicherweise echt schönes Wetter mit Temperaturen knapp über 20°. Und heute Nachmittag hat es in Schenkenfelden sogar kurz geschneit – brrrr!
Naja, trotzdem fühle ich mich zuhause wohler als in China, wo sich derzeit eine große österreichische Wirtschaftsdelegation aufhält. In China kann man sicher gute Geschäfte machen, aber als Reiseland stellt es sogar für hartgesottene Reiseprofis wie mich eine ziemliche Herausforderung dar! Ein großes Problem sind vor allem die mangelnden Englisch-Kenntnisse der meisten Chinesen – zumindest am Land! In Zentralasien konnte ich mich mit meinen paar Brocken Russisch ganz gut verständlich machen. In China bestand mein äußerst bescheidener Wortschatz anfangs nur aus „Niho“ – „Wie geht´s?“ und „Xiexie“ – „Danke!“. Spätestens zu Beginn der chinesischen Ferien lernte ich noch ein anderes Wort dazu: „Myo“, was soviel heißt wie „besetzt“ oder „voll“. Vom 1. bis zum 7. Oktober war nämlich halb China auf den Beinen, sodass es kaum mehr freie Hotelbetten oder Tickets für Bus und Bahn gab. Zu diesem Zeitpunkt waren wir Gott sei Dank in einer Gegend, die hauptsächlich von Tibetern bewohnt wird. In Xiahe in der ehemaligen tibetischen Provinz Amdo verbrachten wir 3 sehr angenehme Tage. Allerdings wurde das von 1500 tibetischen Mönchen bewohnte Labrang Kloster von chinesischen Touristen regelrecht gestürmt. Die Gelbmützen-Mönche waren dann sehr froh, als die Ferien vorbei waren und im Kloster wieder Ruhe eingekehrt ist. Wir fühlten uns unter den Tibetern sehr wohl, und ich genoss die Gegenwart vieler tibetischer Pilgerinnen und Pilger in ihrer traditioneller Kleidung, die sich voller Hingabe im und um das Kloster bewegten.
Diese Auszeit tat uns gut, da wir zuvor schon viele Kilometer durch landschaftlich wenig reizvolle Gegenden gefahren waren. Auf unserer Reise von Kashgar entlang der Seidenstraße waren wir die meiste Zeit mit dem Bus unterwegs. Der Öffentliche Verkehr in China funktioniert sehr gut, nur der Kauf von Tickets gestaltet sich manchmal recht schwierig. Um nicht unabsichtlich in einer anderen Stadt zu landen, habe ich mir den chinesischen „Lonely Planet“-Reiseführer gekauft und auf mein Handy geladen. Am Schalter zeigte ich dann immer auf den chinesischen Namen der Stadt, sodass wir immer in der richtigen Stadt gelandet sind.
Nachdem wir in Kashgar unser überflüssiges Gepäck per Post nach Hause geschickt hatten (120 Euro für 34 kg), ging es zuerst auf der südlichen Route der Seidenstraße nach Hotan. Der Besuch der Stadt Yarkand, einst ein wichtiger Knotenpunkt der Seidenstraße, war Ausländern leider nicht erlaubt, da es Ende Juli bei einer Demonstration zu schweren Auseinandersetzungen zwischen hauptsächlich uigurischen Demonstranten und der Polizei gekommen war. Die rief dann auch noch das Militär zur Hilfe, sodass in der Gegend von Yarkand mindestens 200 Menschen getötet worden sind. In Hotan war die Spannung zwischen den einheimischen Uiguren und den zugewanderten Han Chinesen deutlich spürbar. An den wichtigsten Plätzen war jede Menge Polizei und Militär zu sehen. Im Laufe unserer Reise gewöhnten wir uns allmählich an die vermehrte Polizeipräsenz und die vielen Straßen- und Passkontrollen.
Von Hotan ging´s dann in der Nacht mit dem Sleeper-Bus durch die Takla Makan Wüste. Karawanen konnten diese riesige Wüste seinerzeit nicht durchqueren; jetzt gibt es allerdings 2 neue Straßen in Nord-Südrichtung durch die nach der Rub al-Chali zweitgrößte Sandwüste der Erde. 12 Stunden später kamen wir dann in Kucha an, wo es uns wesentlich besser gefiel als in Hotan. Die Menschen waren freundlicher und entspannter, und in der Altstadt war von den traditionellen Häusern der Uiguren noch viel mehr zu sehen als in den meisten anderen Städten in der Provinz Xinjiang, wo sich die Städte immer mehr gleichen und die Uiguren allmählich von den Han Chinesen verdrängt werden.
Turpan bildet da leider auch keine Ausnahme. Diese alte Oasenstadt liegt wie Kucha an der nördlichen Route der Seidenstraße. Turpan liegt 150 Meter unter dem Meeresspiegel und wird von unterirdischen Kanälen mit frischem Wasser aus den Bergen versorgt. Diese „Karez“ (aus dem Persischen) genannten Kanäle sind an die 2000 Jahre alt und weniger als einen Meter breit und 90-150 cm hoch. Sie wurden in mühsamer Arbeit mit minimalem Gefälle in den Lehmboden getrieben. In Turpan sind die Karez insgesamt an die 5000 Kilometer lang. Diese Art der Bewässerung hat sich von Persien (dort heißen sie Qanate bzw. Kanate) aus entlang der Seidenstraße bis nach China verbreitet. Außerhalb von Turpan bestaunten wir die relativ gut erhaltenen Ruinen der einst mächtigen Städte Jiaohé und Gaochang. Letztere, auch unter dem Namen Khocho bekannt, war ab 850 mehrere Jahrhunderte lang die Hauptstadt des Uigurenreiches und eine der bedeutendsten Städte an der Seidenstraße. Sehenswert sind noch einige nahegelegene buddhistische Höhlen und die „Flammenden Berge“ auf der Strecke nach Dunhuang.
Auf dem Weg in diese sehr angenehme Stadt stachen uns die vielen Windräder ins Auge, von denen es hier mehrere Tausende gibt. 100 Kilometer westlich von Dunhuang teilte sich seinerzeit die Seidenstraße (von Xi´an aus kommend) in eine südliche und in eine nördliche Route. Wir besuchten den Jadetor-Pass (1130m), wo man noch eine Befestigungsanlage und Teile der großen Mauer sehen kann. Die Mauer und die vielen Wachtürme boten den Reisenden seinerzeit Schutz und Sicherheit und waren auch gute Orientierungspunkte. – Ein ganz besonderer Anblick sind allerdings die riesigen Sanddünen an der südlichen Stadtgrenze von Dunhuang. Da gerade Ferienzeit war, wurden sie von Zigtausenden chinesischen Touristen bestiegen. Viele von ihnen saßen das erste Mal auf dem Rücken eines Kamels und mussten das natürlich mit dem Handy festhalten. Chinesinnen und Chinesen fotografieren unglaublich gerne und machen jede Menge Selfies. Handys und Tablets sind noch wichtiger als bei uns und werden auch ganz selbstverständlich von älteren Menschen benutzt. In Bussen oder Zügen habe ich jedenfalls so gut wie nie jemand beim Lesen gesehen, sondern immer nur mit dem Handy in der Hand oder am Ohr!
Tja, das Reisen ist in China leider nicht so günstig wie in Indien. Für akzeptable Hotels haben wir meist so zwischen 15 und 30 Euro bezahlt. Eine einfache Mahlzeit in einem Restaurant kostet so um die 2-3 Euro, eine 5-stündige Busfahrt im Schnitt weniger als 10 Euro. Sehr teuer sind allerdings die Eintrittspreise zu manchen Sehenswürdigkeiten. 40 Yuan (5 Euro) für die Besichtigung einer alten Stadt oder eines Tempels sind okay, nicht aber 240 Yuan (30 Euro!) für die Besichtigung der wirklich sehenswerten Mogoa-Höhlen in der Nähe von Dunhuang. Mein Freund Bert verzichtete angesichts dieser Abzocke auf den Besuch dieser alten buddhistischen Höhlen. An die 1000 Höhlen wurden zwischen dem 4. und 12. Jahrhundert in einen ca. 17 m hohen Sandsteinfelsen geschlagen und mit Buddha-Figuren, Skulpturen und Wandmalereien versehen. Finanziert wurde der Bau dieser Höhlen in der Regel von reichen Kaufleuten, die als Gegenleistung den Schutz göttlicher Wesen und die Gebete der Mönche erbaten. Der Buddhismus hatte sich übrigens entlang der Seidenstraße bis nach China ausgebreitet und war für mehrere Jahrhunderte – z. B. während der Tang-Dynastie (618 – 907) – offizielle Staatsreligion.
In Zhangyé bewunderten wir dann im Großen Buddha Tempel die kunstvoll gefertigte Statue eines 35 m langen Schlafenden Buddhas: die größte in China – ein wahrlich faszinierender Anblick. Zuvor haben wir uns allerdings noch das berühmte Fort in Jiayuguan angesehen. Dieses 1372 erbaute und schön renovierte Fort war lange Zeit der letzte Außenposten des chinesischen Reiches und markiert den Beginn des engen Hexi Korridors, durch den jede westwärts ziehende Karawane durch musste. Dort fing für viele Abenteurer und vom Kaiser Verstoßene der „Wilde Westen“ an.
Von Jiayuguan reisten wir über Zhangyé weiter nach Lanzhou, der Hauptstadt der Provinz Gansu. Dort bewunderten wir riesige Wasserräder, die seit 2000 Jahren Wasser aus dem Gelben Fluss schöpfen und besichtigten den konfuzianischen White Cloud Tempel. Nach dem erholsamen Abstecher ins tibetische Xiahe ging´s dann mit dem Zug von Lanzhou nach Tianshui, wo wir uns die wunderschön gelegenen buddhistischen Höhlen von Maiiji Shan anschauten. Ja, und einige Stunden später standen wir dann vor der Stadtmauer von Xi´an, der ersten Hauptstadt des alten China. Es war ein sehr erhebendes Gefühl nun endlich am Ausgangspunkt der legendären Seidenstraße angekommen zu sein. Mit Ausnahme einiger kurzer Abschnitte hatte bzw. habe ich nun den Großteil dieses faszinierenden Handelsweges bereist – ein sehr schönes und befriedigendes Gefühl. Wie mag es wohl anderen Reisenden ergangen sein, die oft jahrelang unterwegs waren, bis sie schließlich durch die mächtigen Stadttore von Chang´an („Langer Friede“) schritten – zurzeit der Tang Dynastie die größte Stadt der Welt mit einer Million Einwohnern?
Nach Besichtigung der Sehenswürdigkeiten von Xi´an mit seiner 14 km lange Stadtmauer (Große Wildgans-Pagode, Glocken- und Trommelturm, Muslim-Viertel) und dem Besuch der faszinierenden Terrakotta-Armee des Kaisers Qin Shihuangdi (221 – 209 v. Chr.), der als erster ganz China einte (und von dem sich auch wahrscheinlich der Name China herleitet), fuhren wir mit dem Schnellzug nach Peking. Für die 1100 km lange Strecke braucht dieser Zug, der bis zu 300 km/h schnell ist, nur 5 1/2 Stunden. In Sachen Öffentlicher Verkehr kann sich China wirklich sehen lassen, denn Züge und U-Bahnen sind absolute Vorzeigeprojekte.
Peking hat uns gut gefallen, und das herrliche Wetter machte den Besuch der Verbotenen Stadt und der Großen Mauer nördlich von Peking zu einem wahren Vergnügen. Angesichts des schönen Wetters hob dann am Mittwoch, den 15. November unser Flieger eigentlich viel zu früh Richtung Heimat ab. Ich hatte mir zuvor in Peking ein fast 100 Dollar teures Transitvisum für Russland besorgt. Leider regnete es aber während meines 9-stündigen Aufenthalts in Moskau – gewissermaßen die ideale Vorbereitung auf das nasskalte Wetter in Österreich! Die Besichtigung der faszinierenden Basilius-Kathedrale, des Kreml und des Kaufhaus Gut waren aber den erfrischenden Zwischenstopp auf jeden Fall wert!
Seit Freitag sitze ich nun wieder im Taxi, wo es wenigstens schön warm ist. Dank des schlechten Wetters komme ich gut voran beim Vorbereiten meiner nächsten Vorträge. Ich hoffe, dass ich möglichst viele von euch bei einem meiner Vorträge sehen werde, und ich würde mich freuen, wenn ihr in eurem Freundes- und Bekanntenkreis ein bisserl die Werbetrommel rührt für meine nächsten Vorträge …
Über meine aktuelle Reise berichte ich am Freitag, den 14. 11. im Kulturhaus Im Schöffl in Engerwitzdorf und am Montag, den 24.11. im Haus der Baubiologie in Graz.
INDIEN – Kultur, Menschen und religiöse Feste präsentiere ich am 5.11. in Linz, am 6.11. in Wels, am 13.11. in Vöcklabruck und am 19.11. im Stadttheater in Gmunden.
In der Vorfreude auf ein baldiges Wiedersehen wünsche ich euch eine schöne Zeit und einen schönen Spätherbst!
Euer Mukti