ENTDECKE DIE KRAFT DES WALDES

Als „Geschöpfe des Waldes“ waren die Menschen einst eng mit dem Wald verbunden. Von ihm erhielten sie Nahrung, Schutz und Geborgenheit. Wälder und Bäume spielen in der Mythologie und Genealogie vieler Völker und Kulturen eine wichtige Rolle. Der „Baum des Lebens“   ist ein uraltes Symbol der kosmischen Ordnung und ein weit verbreitetes Symbol in den Religionen. Als „Weltenbaum“ verkörpert die Weltesche Yggdrasil in der nordischen Mythologie den gesamten Kosmos. Der „Lebensbaum“ steht als „Weltachse“ im Zentrum der Welt. Seine Wurzeln reichen tief in die Erde und seine Wipfel berühren oder tragen den Himmel. Somit verbindet er die drei Ebenen Himmel, Erde und Unterwelt. 

Die einst innige Beziehungen zwischen Mensch und Baum spiegelt sich auf der individuellen Ebene im keltischen Baumkreis wider, wo jedem Menschen anhand seines Geburtsdatums einer der 24 Lebensbäume  zugeordnet wird. Die rücksichtslose Ausbeutung der Natur durch Bevölkerungswachstum, Industrialisierung und Modernisierung  führte zur zunehmenden Entfremdung des  Menschen von der Natur und zur „Entzauberung der Welt“. Erst das „Waldsterben“ in den 1980iger Jahren und die dramatischen Auswirkungen des  „Klimawandels“  machten den Menschen wieder bewusst, dass wir das einzigartige Ökosystem Wald schützen und bewahren müssen, um unser eigenes Überleben zu sichern. Denn der Wald leistet Unglaubliches: Er reguliert das Klima, speichert Kohlendioxid, reinigt die Luft und liefert uns klares Wasser.

„Shinrin-yoku“: Die Wiederverbindung mit dem Wald

Für viele Menschen ist der Wald inzwischen zu einem Sehnsuchtsort geworden, der für Stille und unberührte Natur  steht. Dass uns die Wiederverbindung mit dem Wald gut tut, belegen Studien aus Japan bereits seit den frühen 80iger Jahren. „Shinrin-yoku“ bedeutet so viel wie „ein Bad in der Atmosphäre des Waldes nehmen“. Ursprünglich eine Marketingstrategie der Regierung, um die Menschen zu mehr Bewegung in den Wäldern zu motivieren, sind die wissenschaftlich erforschten Methoden in Japan schon längst Teil der Gesundheitsvorsorge und werden auch von Ärzten therapeutisch verordnet. Bei uns ist diese „Baummedizin“ unter dem Begriff „Waldbaden“ oder „Waldluftbaden“ bekannt geworden.

Glücklich und gesund durch Waldbaden?

Bereits die grüne Farbe und der Anblick von Bäumen wirkt sich positiv auf unser Wohlbefinden aus. Die heilsamen Effekte des Waldbadens sind vor allem auf das kühle und feuchte Waldklima, die wohltuende Stille und die weitgehend staubfreie Waldluft zurückzuführen. Die frische Waldluft ist Balsam für die Atemwege, da sie einen hohen Anteil an ätherischen Ölen und pflanzlichen Botenstoffen aufweist. Die bekanntesten dieser Phytonzide sind die Terpene, mit denen  Pflanzen und Bäume miteinander kommunizieren, um u. a. Fressfeinde abzuwehren. Ein längeres „Waldluftbad“ ist eine wahre Wohltat für Körper, Geist und Seele: Es stärkt nachweislich unser Immunsystem und unsere Abwehrkräfte, senkt den Blutdruck, baut Stresshormone ab und kann auch Glückshormone produzieren. Regelmäßiges Waldbaden führt u. a.  zu innerer Ruhe und Ausgeglichenheit, fördert die Konzentration, verbessert die  Leistungsfähigkeit, bewirkt besseren Schlaf und kann sogar das biologische Alter senken, wie aus den Studien von Dr. Spinka zum Waldluftbaden im Mühlviertel hervorgeht. Der Ganzheitsmediziner Dr. Spinka war übrigens der medizinische Leiter bei der Ausbildung der ersten 16 WaldluftbademeisterInnen im Bezirk Freistadt im Herbst 2017 (ich bin übrigens der Mann mit dem Hut in der Mitte).

Wie „funktioniert“ Waldbaden?

Nimm dir für das Eintauchen in die heilsame Atmosphäre des Waldes möglichst viel Zeit. Bleibe am Waldrand einen Moment stehen, um auch wirklich „ganz anzukommen“. Schalte am besten dein Handy ab und mach dich bereit für den Eintritt in die „Anderswelt“, die Lebensraum für viele sichtbare und unsichtbare Wesen ist. Für unsere Vorfahren hatte der Wald schon immer etwas Geheimnisvolles, Magisches und Mystisches; war bewohnt von Natur- und Baumgeistern, von Feen und Kobolden und vielen anderen Wesenheiten.

Betrete diesen von einer Vielzahl von Lebewesen bewohnten Raum  immer in einer achtsamen und respektvollen Haltung.  Und sei dir bewusst, dass du hier nur Gast bist. Verhalte dich ruhig und bewege dich möglichst langsam (ein Kilometer pro Stunde reicht). Achte auf deine Schritte, damit du keinen Schaden anrichtest, und nimm Rücksicht auf die anderen Waldbewohner. Und frage dich vielleicht auch, was du für den Wald tun kannst. Du kannst zum Beispiel kleine Geschenke wie Getreideekörner, Tabak oder getrocknete Früchte für die Geschöpfe des Waldes mitbringen oder einen Plastiksack mitnehmen und Müll einsammeln. 

Wenn du dich an diese einfachen Regeln hältst, kannst du im Grunde genommen nichts falsch machen, denn beim Waldbaden gibt es kein „richtig“ oder „falsch“. Mache einfach das, was dir Freude macht und was sich gut anfühlt. Erwecke in dir wieder das Kind, das  einst unbeschwert und  selbstvergessen stundenlang in der Natur gespielt und neue Erfahrungen und Entdeckungen gemacht hat. 

Vertraue deiner Intuition und lass dich leiten von den Dingen, die du am Waldboden, im Moos und an den Bäumen entdeckst. Atme die frische Waldluft und den Duft des Waldes ein. Richte deinen Blick auf die Blätter und Äste der Bäume und staune über die faszinierenden Licht- und Schattenspiele in diesem kleinen Universum. Spüre den Waldboden unter deinen Füßen und den Wind in deinem Gesicht. Lausche dem leisen Rauschen des Windes und dem Gesang der Vögel in den Ästen der Bäume. Und lasse deiner Kreativität freien Lauf, wenn es ums Singen und Summen geht – oder ums Spielen mit Zapfen, Blättern und Steine oder dem Legen eines Wald-Mandalas …

Wie fühlt es sich an, wenn du deine Schuhe ausziehst und ein Stück barfuß gehst? Ich zum Beispiel liebe das Barfußgehen, denn es verbindet mich unmittelbar mit Mutter Erde – ähnlich wie eine langsame und bewusste Geh-Meditation. Nach dem Gehen empfiehlt sich eine Rast im weichen Moos, auf einen Baumstrunk oder unter einen Baum. Lehne dich ganz entspannt an den Stamm und lasse deine Gedanken ziehen. Und habe keine Scheu einen Baum zu umarmen, wenn dir danach ist. Schließe die Augen und versuche dich mit der Kraft und Energie des Baumes zu verbinden. Wenn dir das nicht gelingt, dann genieße einfach deine  Verbundenheit mit der Natur und freue dich auf deinen nächsten Besuch im Wald …